Neurowissenschaft Gehirn von Musizierenden lässt sich an der Struktur erkennen

26. Januar 2021, 15:07 Uhr

Forschende haben in einer groß angelegten Studie die Gehirne von Musizierenden und Nicht-Musizierenden verglichen und deutliche Unterschiede festgestellt.

Mädchen lehnt Stirn an Cello-Hals, geschlossene Augen, Nahaufnahme, Hintergrund unscharf, grün im Freien. Im Kopf ist als Fotomontage ein Gehirn zu sehen.
Musizieren zeigt sich in der Gehirnstruktur, wie Forschende jetzt herausgefunden haben. Bildrechte: imago images/Westend 61 (M)

Spätestens seit es die Runde gemacht hat, dass Kühe mehr Milch geben, wenn sie (klassische) Musik hören, ist klar: Irgendwas muss da dran sein, an der positiven Wirkung der Musik. Und auch das Geschäftsmodell der vielen kuratierten Musikstreamingangebote lässt sich wissenschaftlich unterfüttern: Musikhören wirkt sich auf die Stimmung und das Gehirn aus. Und von dort auf Herzschlag, Verdauung und andere Organfunktionen, weshalb Musikliebhaber praktisch gesünder leben. Und glücklicher, z.B. wenn sie zusammen singen. Da bleibt auch gleich das Gehirn jung.

Macht Musik Kinder klüger?

Auf der Kehrseite der Medaille wird die Euphorie um die positive Wirkung der Musik immer wieder leicht getrübt: Der Mozarteffekt und damit die Überlegenheit der klassischen Musik ist Mumpitz, heißt es. Förderlich für die Konzentration hingen sei es, einfach Musik zu hören, die einem gefällt – unabhängig vom Genre. Auch dass Kinder doch nicht schlauer werden, wenn sie schon früh musikalische Förderung Erfahrungen, ist so eine Sache, die Eltern mit perfektioniertem Erziehungskonzept nicht gerne hören: So wirkt sich das junge Musizieren zwar positiv aufs Sprachvermögen aus. Klüger macht's die Kids aber nicht. Oder doch?

Sichtbare Unterschiede zwischen Musik- und Nicht-Musik-Hirn

Sagen wir es so: Es gibt ganz offensichtlich sichtbare Unterschiede zwischen den Gehirnen von Musizierenden und Nicht-Musizierenden. Und auch die kindheitliche Prägung hat damit etwas zu tun, sagt eine neue Studie im Fachblatt jNeurosci. Aber der Reihe nach: Eigentlich hatten die Forschenden erwartet, dass das Phänomen eines sogenannten absoluten Gehörs irgendwie im Gehirn sichtbar ist.

Mädchen übt mit Waldhorn in einem Zimmer und bläst hinein: Ansicht von vorn, leicht unten.
Frühe Musikausbildung wirkt sich ganz besonders deutlich auf die Gehirnstruktur aus. Bildrechte: imago images / Shotshop

So nennt sich die Fähigkeit, einen Ton einfach so genau identifizieren zu können. Wird ein Ton angespielt, ohne dass weitere Bezugstöne zu hören sind, können dementsprechend befähigte Menschen – zu ihnen zählten Mozart und Michael Jackson – genau sagen: Das ist ein A und das ist ein Cis. Warum das so ist, ist bisher ungeklärt.

An diesem Punkt sind auch die Forschenden in jNeurosci nicht weitergekommen. In der bisher größten Studie zu diesem Thema haben sie die Gehirnstrukturen von Musikerinnen und Musikern mit und ohne absolutem Gehör, und Nicht-Musikerinnen und -Musikern verglichen. Zwischen den Gehirnen der ersten Gruppe lassen sich zu ihrer Überraschungen keine augenscheinlichen Unterschiede feststellen.

Unterm Strich mehr vom Hirn

Wohl aber zwischen denen von Musizierenden und Nicht-Musizierenden. So war die funktionelle Verbindung in den Hörregionen beider Gehirnhälften bei Musikerinnen und Musikern stärker ausgeprägt. Außerdem konnte bei ihnen mehr weiße Gehirnsubstanz – also Nervenbahnen – zwischen Hörregion und Gehirnlappen festgestellt werden. Besonders stark waren diese strukturellen Verbindungen bei Musizierenden ausgeprägt, die schon früh mit einer musikalischen Ausbildung begonnen haben.

Die Forschenden zeigen damit, wie – insbesondere frühe – Erfahrungen das Gehirn prägen. Und auch, dass Musikausbildung Kinder zwar nicht intelligenter macht, sie unterm Strich aber wohl mehr Hirn haben.

flo

Link zur Studie

Die Studie erschien am 25.01. unter dem Titel Musical Expertise Shapes Functional and Structural Brains Networks Independent of Absolute Pitch Ability im Fachblatt jNeurosci.

DOI: 10.1523/JNEUROSCI.1985-20.2020

1 Kommentar

allesfeucht am 27.01.2021

Das hat bestimmt weniger mit der Musik als mit dem Musizieren zu tun. Das, was man regelmäßig macht, hinterlässt Spuren im Gehirn. Ein Zockergehirn sieht wahrscheinlich anders aus als ein Malerinnengehirn. Oder irre ich mich?

Mehr zum Thema